Selbstinszenierungen im medialen Wandel
Mediale Selbstinszenierungen sind in Zeiten von Instagram, TikTok & Co. allgegenwärtig. Die Metapher der Theaterinszenierung suggeriert eine strategische „Performance“ mit dem Ziel, eine öffentliche Persona zu erschaffen (Goffman 1968). Doch dass sich Subjekte ‚in Szene setzen‘ und sich dabei selbst vermarkten ist ein Phänomen, das weit vor die Zeit postmoderner Selbstperformanz zurückreicht. Bereits im Mittelalter wurde die öffentliche „Selbstbeobachtung“ zum Modus der Individualitätserfahrung (Kiening 2016). In der Renaissance kommt über das „self-fashioning“ (Greenblatt 1980) eine Komponente der Authentizitätszuschreibung hinzu. Selbstvermarktungspraktiken und -strategien gehen Hand in Hand mit Individualisierungstendenzen, etwa in der Ausformulierung des romantischen Subjekts im 18./19. Jahrhundert sowie mit der Hyperindividualisierung infolge des Aufschwungs (digitaler) Massenmedien im 20./21. Jahrhundert. Selbstinszenierungen sind dabei immer eng an Medialität geknüpft. Deren Voraussetzungen, Modi, undPraktiken verändern sich folglich, wenn sich mediale Bedingungen und Möglichkeiten wandeln. Gleichzeitig geben neue Formen der Selbstinszenierung oft neue Impulse für mediale Praktiken.
In der Ring-Vorlesung „Selbstinszenierungen im medialen Wandel“ werden Verfahren der performativen Selbstmodellierung aus einer historischen Perspektive in den Blick genommen, in ihrem wechselseitigen Verhältnis mit medialem Wandel analysiert und hinsichtlich ihrer Kontinuitäten und Diskontinuitäten theoretisiert. Die Vorlesung spannt dabei nicht nur einen historisch breiten Rahmen über ca. 1000 Jahre, sondern verbindet darüber hinaus aus interdisziplinärer Perspektive text-/literaturwissenschaftliche, bild-, musik- und medienwissenschaftliche Ansätze. Folgende Fragen stehen im Zentrum der Debatte: Welche ästhetischen, philosophischen, medialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Zusammenhänge können zwischen Selbstinszenierungen und medialer Selbstreflexion hergestellt werden? Was kann eine Historisierung des Selbst von der Geschichte des medialen Wandels lernen und umgekehrt? Welche Strategien der öffentlichen Selbstbeschreibung kehren immer wieder und wo grenzen sie sich voneinander ab?